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Gibt es nun Krieg zwischen Türkei und Syrien?

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Gibt es nun Krieg zwischen Türkei und Syrien?

Es ist die Geschichte einer angekündigten Eskalation. Als die syrische Luftwaffe im Juni ohne Vorwarnung ein türkisches Militärflugzeug abschoss, das über den Mittelmeer den syrischen Luftraum verletzt haben soll, sah sich die türkische Regierung zu einer klaren Ansage gen Damaskus genötigt: Sollte so etwas noch einmal vorkommen, werde man zurückschlagen. Dieser Fall ist nun eingetreten.Droht nun als ein regionaler Krieg?

Bei dem offenbar versehentlichem Granatenbeschuss von syrischer Seite auf ein grenznahes türkisches Dorf sind fünf türkische Zivilisten ums Leben gekommen. Auf diese Verletzung des eigenen Territoriums hat die Türkei mit dem Beschuss einer syrischen Militärbasis geantwortet. Zudem hat das türkische Parlament die Regierung zu weiteren militärischen Aktionen gegen das Nachbarland ermächtigt. Ist das nun schon ein anschwellender Kriegsgesang?

Bisher sieht es nicht danach aus. Die Regierung in Ankara signalisiert, dass man sich mit Vergeltung auf einem niedrigschwelligen militärischen Niveau begnügen wolle. Das folgt der Logik nahöstlicher Politik, wo rote Linien zuweilen auch mal mit militärischen Mitteln gezogen werden. Wer nicht hören will, muss eben fühlen.

Und es geht natürlich auch darum, nicht das Gesicht zu verlieren in dieser nahöstlichen Machowelt, wo der als verletztlich und als Schwächling gilt, der in Konfliktfällen nicht auch mal die Muskeln spielen lässt.

Es mag mancherorts zwar die Hoffnung geben, etwa bei den syrischen Rebellen, dass sich hier ein willkommener Anlass für Ankara bietet, die syrische Opposition nicht nur mit Worten, Waffen und Geld, sondern auch mit echter Feuerkraft zu unterstützen.

Tatsächlich aber hat kaum jemand ein Interesse daran, die Situation über einen lokalen Schlagabtausch hinweg eskalieren zu lassen. Damaskus nicht, weil das Assad-Regime alle militärischen Kräfte darauf konzentriert den Aufstand im eigenen Land niederzuschlagen. Die Türkei nicht, weil die eigenen Bevölkerung mit großer Mehrheit gegen einen Krieg mit dem Nachbarland ist und weil Syrien militärisch auch keine Laufkundschaft darstellt.

Käme es zu einem richtigen Krieg beider Länder wäre jedenfalls nicht auszuschließen, dass die syrische Armee auch chemische oder biologische Waffen aus ihrem reichlich bestückten Arsenal einsetzen würde. Die Folgen solch eines Schlagabtausches wären kaum abzusehen.

Aber auch die Nato will nicht am Rande ihres Bündnisgebietes in einen Krieg und in den syrischen Bürgerkrieg mit seinen keinesfalls klaren Frontverläufen hineingezogen werden. Denn der große Bündnispartner Amerika möchte im Wahlkampf nicht von den Händeln der Welt da draußen gestört werden. Und Europa ist militärisch schwach und hat mit der eigenen Wirtschafts- und Währungskrise genug zu tun.

All das spricht dafür, dass sich die Lage wieder beruhigen wird. Wenn – ja wenn es nicht erneut zu einem ungeplanten Zwischenfall kommt.

Die Weltgeschichte ist voll von Kriegen, an denen beide Seiten eigentlich kein wirkliches Interesse hatten. Meistens wurden sie dann doch geführt, weil Herrscher und Regierungen nicht hinter einmal geäußerte Warnungen zurück konnten und sich zur Aufrechterhaltung der eigenen Glaubwürdigkeit und Abschreckungsmacht gezwungen sahen, den Drohungen auch Taten folgen zu lassen.

Deshalb ist es wichtig, dass die Welt dem syrischen Regime klar macht, welches Risiko es bei grenznahen Militäraktionen gegen Rebellen eingeht, weil stets die Gefahr besteht, dass sich Geschosse auf die andere Seite der Grenze verirren können.

Und neben den öffentlichen Beteuerungen der Solidarität gegenüber Ankara sollten die Nato-Partner die türkische Regierung hinter den Kulissen deutlich davor warnen, zum Gefangenen der eigenen Rhetorik zu werden. Denn Kriege können in aufgeheizten Situationen schneller entstehen, als man oft glaubt. Und sie sind in der Regel zerstörerischer und langwieriger, als die politischen Führer am Anfang gehofft hatten. Nach Afghanistan und Irak weiß der Westen das nur allzu genau.

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Der ganz normale palästinensische Irrsinn

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Der ganz normale palästinensische Irrsinn

Im Nahostkonflikt sprechen mal wieder die Waffen. Und wie stets stellt man in Europa sofort die israelische Reaktion in Frage. Ist es klug, den Anschlag auf eine Armeepatrouille und mehr als 100 Raketen aus Gaza mit einem Gegenangriff zu beantworten? War es legitim, den militärischen Führer der Hamas zu töten? Dabei ist die naheliegende Frage eigentlich eine, die wir uns längst abgewöhnt haben zu stellen: Warum führen die Palästinenser seit 64 Jahren denselben, inzwischen längst aussichtslosen Krieg gegen Israel?

Warum verkünden immer neue fanatische Führer dieselbe Botschaft vom irgendwann bevorstehenden Endsieg? Und warum verurteilen sie nun schon die dritte Generation von Palästinensern dazu, ihre Lebenschancen auf dem Altar der Ideologie zu opfern?

Diese Kriege haben immer neue Formen angenommen. 1948, 1967 und 1973 griffen die umliegenden arabischen Staaten Israel an. Seit den 60ern verlegte sich die entstehende palästinensische Nationalbewegung auf den Terrorismus, der dann 1982 zur israelischen Offensive gegen den Libanon führte, den die PLO als Operationsbasis benutzte. Zwischendurch versuchte es Jassir Arafats Fatah mit Verhandlungen, um dann im Jahr 2000 die Terror-Intifada gegen Israel zu entfachen.

Nachdem die Fatah und viele palästinensische Bürger ein wenig klüger geworden sind, stehen in Gaza die nächsten Extremisten der Hamas bereit, die ihre Gesellschaft in Geiselhaft nehmen und den ewigen Krieg gegen Israel und die Juden fortsetzen. Dabei hat Israel sich vor sieben Jahren aus Gaza zurückgezogen und den Palästinensern damit die Chance gegeben zu beweisen, dass sie einen eigenen Staat auch in der Westbank verdienen. Statt jedoch ein funktionierendes Gemeinwesen aufzubauen, haben die Palästinenser seitdem lieber 12.000 Geschosse auf Israels Süden gefeuert.

Keine Frage, auch die Israelis machten viele Fehler. Sie haben in den vergangenen zwölf Jahren aber immerhin zwei realistische Friedensangebote unterbreitet, die ausgeschlagen wurden. In Camp David im Jahr 2000 war Jassir Arafat zu feige, einer politischen Lösung zuzustimmen. 2009 verweigerte sich der aktuelle Palästinenserpräsident Mahmud Abbas dem Angebot des israelischen Premiers Ehud Olmert.

Es ist eine kranke, selbstzerstörerische Geschichte, die sich Palästinenser und Araber seit mehr als 60 Jahren erzählen. Es ist die Geschichte von einem Sieg, der irgendwann errungen wird, wenn man der reinen Lehre treu bleibt. Dann werde man die Juden ins Meer treiben. Dann wird die arabische Sache siegen. Trunken von der eigenen Propaganda haben die Araber Niederlage um Niederlage eingesteckt. Und sind doch nicht klug daraus geworden.

Das ist das eigentliche Drama des Nahen Ostens: Die Weigerung immer neuer Generationen palästinensischer und arabischer Führer, die Realitäten anzuerkennen. Die Möglichkeiten zum Frieden zu nutzen, wenn sie sich bieten. Und Israel endlich zu akzeptieren, von dem sie so viel lernen könnten. Vor allem, wie man etwas erfolgreich aufbaut, statt die alten Niederlagen zwanghaft immer wieder neu zu inszenieren.

Nur vier Jahre nach dem letzten Gaza-Krieg sucht die Hamas nun erneut eine militärische Auseinandersetzung, die sie nur verlieren kann. Sie beschwört abermals die Gefahr herauf, dass Israel eine Bodenoffensive startet, um dem Raketenhagel Einhalt zu gebieten. Und wie üblich bekommt Hamas dafür den Beifall arabischer Medien und Solidaritätserklärungen arabischer Führer der Region, etwa aus Ägypten.

Es ist aber erstaunlich, wie auch die europäische Berichterstattung die Verblendung der Extremisten quasi als Normalzustand akzeptiert. Und nur danach fragt, ob die Israelis klug oder weniger klug mit diesem palästinensischen Irresein umgehen.Es ist viel von der Asymmetrie in diesem Konflikt die Rede und gemeint sind damit meist die unterschiedlichen Mittel und die gänzlich unterschiedliche Moral beider Seiten. Tatsächlich liegt die größte Asymmetrie aber im Bereich von Rationalität und Aufklärung.

Die internationale Gemeinschaft hat die Verantwortungslosigkeit palästinensischer Führer über Jahrzehnte befördert. Kein Volk in der Geschichte hat pro Kopf je mehr Zuwendungen der internationalen Gemeinschaft bekommen. Ein großer Teil Gazas lebt von UN-Hilfen, während die Hamas-Regierung ihr Geld dafür ausgibt, mit Raketen neues Ungemach über die eigene Bevölkerung zu bringen. Es ist ein perverses System, das wie selbstverständlich hingenommen wird. Und nichts, was palästinensische Führer an destruktivem Verhalten an den Tag gelegt haben, hat jemals echte Konsequenzen gehabt. Da sie wissen, dass ihnen die Tür zu einer Friedenslösung immer offenstehen wird, egal was sie tun, können sie es zwischendurch ja gut mal auf eine andere Weise versuchen. Wir haben sie also zu jener Verantwortungslosigkeit erzogen, die erst Arafat an den Tag gelegt hat und die nun von der Hamas übernommen wurde.

Natürlich gibt es inzwischen auch viele Palästinenser, die moderat sind und gerne ihren Frieden mit Israel machen würden. Aber wie die Hamas mit Menschen umgeht, die anderer Meinung sind, konnte man 2007 erleben, als Hamas-Leute im innerpalästinensischen Machtkampf sogar in die Krankenhäuser von Gaza einfielen, um verletzte, wehrlose Fatah-Mitglieder entweder zu liquidieren oder für immer zu verkrüppeln. Es ist höchste Zeit, der palästinensischen Gesellschaft zu helfen, sich von diesen Extremisten und ihrem Todeskult zu befreien.

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Obama plant einen Krieg light gegen Syrien

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Obama plant einen Krieg light gegen Syrien

Überraschung ist eine der wichtigsten Elemente der Kriegsführung. Wer einen Gegner an einem unerwarteten Ort, früher als erwartet, mit unbekannten Truppenansammlungen, unkonventionellen Methoden oder neuen Waffen angreift, hat größere Aussichten, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen und ihm militärisch zu schaden. Aus dem Blickwinkel militärischer Zweckdienlichkeit ist das, was die US-Regierung in Sachen Syrien derzeit gerade tut, also schlicht kontraproduktiv. Der bevorstehende US-Angriff gegen das Assad-Regime ist “der am besten vorab verkündete Raketenangriff der Geschichte”, schreibt etwa US-Nahostexperte und Bloomberg-Kolumnist Jeffrey Goldberg.

Nicht nur ist bekannt, dass der Angriff wohl in den kommenden Tagen oder Wochen passieren wird, auch die bevorzugte Waffenart – Marschflugkörper vom Typ Tomahawk, die von Schiffen oder U-Booten im Mittelmeer abgefeuert werden – ist durchgesickert sowie eine Liste von Zielen, die die USA anvisieren könnten. Das Assad-Regime hat also genug Zeit, sich darauf vorzubereiten.

Wenn es wirklich darum ginge, “Krieg” gegen Assad zu führen, wie nun in Deutschland oft zu hören ist, dann hätten die Amerikaner die Sache selten dämlich angepackt. Tatsächlich geht es um etwas ganz anderes. Nach allem, was bisher in Washington durchgesickert ist, plant die Obama-Regierung die mini-invasive Variante eines Militärschlages.

Die folgt zwei eng begrenzten Zielsetzungen: Erstens soll Assad einen Preis bezahlen für den Einsatz von Chemiewaffen, um das Regime davon abzuhalten, diese internationale geächtete Waffenart in Zukunft noch großflächiger gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen. Es geht also um Abschreckung und darum, Assads Kosten-Nutzen-Kalkulation in Sachen Chemiewaffen zu verändern. Zweitens müssen die Amerikaner ihre Glaubwürdigkeit als wichtiger nahöstlicher Akteur wieder aufrichten, die in den vergangenen Jahren stark gelitten hat.

Wenn eine Supermacht eine rote Linie in den nahöstlichen Sand zeichnet, wie Obama es in Sachen Chemiewaffeneinsatz getan hat, dann muss sie auch handeln, wenn diese rote Linie überschritten wird. Zumindest, wenn sie in Zukunft noch als Supermacht ernst genommen werden will.

Einige Experten drängen den Westen schon seit längerem, in den syrischen Bügerkrieg einzugreifen, um eine noch größere humanitäre Katastrophe und die Entstehung eines Somalias am Mittelmeer zu verhindern. Etwa Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz.

Ischinger hat als Diplomat einst eine wichtige Rolle bei der Befriedung der Balkankriege gespielt und er sieht viele Parallelen zwischen den Zerfallskriegen in Ex-Jugoslawien und dem Auseinanderbrechen Syriens. Seine Hoffnung ist, dass die Militärschläge einen ähnlichen Effekt auf Baschar al-Assad haben könnten wie die Nato-Bombenkampagne sie in den 90ern auf den serbischen Kriegsherrn Slobodan Milosevic hatte. Dem musste die Entschlossenheit des Westens erst mit militärischen Angriffen (Operation “Deliberate Force” der Nato) verdeutlicht werden, bevor Milosevic zu politischen Verhandlungen in Dayton bereit war.

Ein politische Lösung ähnlich wie das Dayton-Abkommen, das den Krieg in Bosnien beendete, würden die Amerikaner auch in Syrien bevorzugen. Denn da der Westen so lange gezögert hat, die moderate Opposition in Syrien zu unterstützen muss er nun fürchten, dass die erstarkten radikalen Elemente unter den Rebellen nach einem Sieg gegen Assad die Oberhand behielten und Syrien zu einem Aufmarschgebiet der Dschihadisten würde. Die beste Option bestünde also darin, eine politische Einigung beider Seiten anzustreben, bei der weite Teile des syrischen Staatsapparates intakt blieben.

Nur dazu müsste Assad und seinen Sponsoren Russland und Iran erst einmal klar gemacht werden, dass sie diesen Krieg nicht gewinnen können. In den vergangenen Monaten ist es Assad mithilfe von Kämpfern der Hisbollah und finanzieller und militärischer Unterstützung aus Teheran und Moskau gelungen, die Dynamik des Bürgerkrieges zu drehen und in die Offensive zu kommen. Um diese Dynamik zu brechen und Assad zu einem politischen Einlenken zu bewegen, wäre jedoch eine weit umfangreichere militärische Kampagne nötig als die, die derzeit in Washington, Paris und London erwogen wird.

Nicht Bosnien, sondern die gezielten amerikanischen und britischen Militärschläge gegen Saddam Husseins Irak unter Bill Clinton und Tony Blair im Jahr 1998 scheint daher die Blaupause für Syrien zu sein. Damals ahndeten die Alliierten die anhaltenden Verstöße Saddams gegen die Bestimmungen des Waffenstillstandes nach der Befreiung Kuwaits 1991.

Der Irak hatte jahrelang gegen die UN-Auflagen zur Aufgabe seiner Massenvernichtungswaffenprogramme verstoßen, weshalb sich Briten und Amerikaner nach mehrfachen vergeblichen Vermittungsversuchen gezwungen sahen, Saddams Massenvernichtungswaffenprogramme auf militärischem Wege durch Luftangriffe zu dezimieren.

Der damalige US-Verteidigungsminister Bill Cohen fasste die Ziele der 70 Stunden andauernden Militäraktion so zusammen: “Wir wollen Saddam Husseins Fähigkeit reduzieren, Massenvernichtungswaffen einzusetzen, wir wollen seine Möglichkeiten einschränken, Krieg gegen seine Nachbarn zu führen und wir wollen die Konsequenzen aufzeigen die es hat, wenn man gegen internationale Auflagen verstößt.” Tatsächlich gelang es den Alliierten damals nachhaltiger als zunächst geglaubt, wichtige Teile von Saddams Massenvernichtungsprogrammen zu zerstören und die Iraker auf diesem Feld nachhaltig zu entmutigen. Nach dem Desaster des von Clintons Nachfolger geführten Irakkrieg von 2003 gelten die Luftangriffe von 1998 heute vielen als die bessere Alternative. Ihr Argument ist, dass man Saddam Husseins Irak und seine WMD-Programme auch mit gelegentlichen Luftschlägen hätte eindämmen können, ohne sich in den Morast eines Bodenkriegs zu begeben.

Und genau darum geht es heute auch Barack Obama. Syrien soll abgestraft, sein Wille und seine Fähigkeit zum Einsatz von Massenvernichtungswaffen soll eingedämmt werden – und das, ohne dass sich die Amerikaner damit tiefer in den syrischen Bürgerkrieg verwickeln.

Diesem Ziel dient auch die so geschwätzige Ausbreitung von Details der Angriffe. Indem die USA von vorneherein deutlich machen, dass ihre Angriffe nicht auf einen Regimewechsel hinzielen, versuchen sie Assad davon abzubringen, eskalierend zu antworten. Denn wenn Assad tatsächlich so dumm wäre, amerikanische Angriffe mit Schlägen gegen Israel zu vergelten, dann würde es auch den Amerikanern sehr schwer fallen, nicht doch tiefer einzusteigen, als sie eigentlich wollen.

Obama versucht also tatsächlich ein Paradoxon: Assad anzugreifen, ohne entscheidend in den syrischen Bürgerkrieg einzugreifen. So wie ein Lehrer, der einen prügelnden Schüler auf dem Pausenhof zurechtweist, weil der unter der Gürtellinie geboxt hat. Und der sich dann nach Schelte und Strafe zurückzieht, damit die Kontrahenten sich weiter oberhalb der Gürtellinie grün und blau schlagen können.

Die Botschaft einer solchen Operation an Assad und seine Helfershelfer wäre: Ihr könnt weiter Syrer und andere umbringen, solange ihr es nur nicht mit chemischen und biologischen Waffen tut.

Befriedigend ist diese Haltung Washingtons nicht. Aber sie ist derzeit offenbar das äußerste, zu der eine durch zwei Kriege wund und müde gewordene Supermacht sich aufraffen kann.

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Was man von Ariel Scharon lernen kann

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Was man von Ariel Scharon lernen kann

Ariel Scharon war fast der letzte seiner Art. Eine überlebensgroße Figur aus jener israelischen Gründergeneration, die das Fundament legte für eines der erfolgreichsten Projekte der Nationenbildung der jüngeren Geschichte. Dieses Projekt ist nicht vollendet, solange Israel nicht in anerkannten Grenzen lebt und seine Nachbarn nicht ihren Frieden mit dem jüdischen Staat gemacht haben. Aber das Leben und Wirken Scharons, mit all seinen Fehlern, hält doch einige Lehren bereit, die auch über Israel hinausreichen.

Eine davon ist: das Führungspersonal einer Gesellschaft ist entscheidend. Geschichte wird immer noch von Menschen gemacht. Und wenige Figuren hatten im Guten wie im Schlechten solch einen prägenden Einfluss auf Israels Entwicklung wie Scharon. Er hat sein Land zwei Mal gerettet. 1973, als er in einer hasardeurhaften Aktion mit seinen Panzerdivisionen über den Suezkanal setzte, Ägyptens 3. Armee einkesselte und damit maßgeblich beitrug, eine drohende Niederlage in einen Sieg zu verwandeln. Und nach seiner Wahl zum Premier 2001, als er mit harter Hand den Terrorkrieg der Palästinenser gegen die israelische Zivilbevölkerung eindämmte und einer zutiefst verunsicherten und erschütterten Gesellschaft Stabilität und Zukunftszuversicht zurückgab.

Andererseits führte Scharon Israel auch ins Unglück, 1982 als Verteidigungsminister etwa, als er seinen Premier im Dunkeln ließ über das wahre Ausmaß der von ihm befehligten Militäraktion im Libanon. Ein Besatzungsabenteuer, das 18 Jahre andauern sollte, viele Opfer forderte und Israels Bild im Ausland schwer beschädigte. Ähnlich verhielt es sich mit der Siedlerbewegung. Was von Scharon in den 70ern vor allem als Mittel der strategischen Absicherung Israels gedacht war, wurde dann zu einem ideologischen Mühlstein, der die Handlungsfähigkeit der israelischen Politik in Friedensfragen bis heute einengt und auf der Rechten geradezu zu einer Obsession geworden ist.

Die zweite Lehre, die Scharon wie kaum ein anderer verkörperte: militärische Stärke ist die wichtigste Währung im Nahen Osten und wird es auch in Zukunft bleiben. Man muss sich nur ansehen, was Araber Arabern derzeit in Syrien antun, um sich vorstellen zu können, welches Schicksal wehrlose Israelis in der Region erleiden würden. So sehr sich die Europäer auch einreden mögen, dass wir in einer Welt leben, die von internationalen Normen und nicht von kruder Macht geprägt ist, so sieht die Wirklichkeit doch anders aus, nicht nur im Nahen Osten.

Scharon stand für ein illusionsloses  Realitätsprinzip. Selbst als er sich dazu durchgerungen hatte, den Gaza-Streifen zu räumen, so bedeutete es keineswegs, dass er sich die andere Seite schön malte, wie das in den 90er Jahren in der Hochzeit des Osloer Friedensprozesses so oft geschehen war. Wenn Israel durch das Verlassen besetzter Gebiete an strategischer Tiefe verlor, so musste dieser Verlust an Sicherheit aufgewogen werden durch eine verschärfte Abschreckungsdoktrin, so seine Überzeugung.

Denn wenn Israel in den Augen seiner Feinde als schwach dastünde, würden diese das als Einladung sehen, per Abnutzungskrieg statt mit politischen Kompromissen mehr zu bekommen. Israels Militäraktionen gegen die Militanten in Gaza in den vergangenen Jahren sind die logische Folge von Scharons Rückzug, weil Abschreckung die verloren gegangene strategische Tiefe ersetzen muss. Wer den Israelis das Recht dazu abspricht, wie viele Europäer, macht ihnen damit nur deutlich, dass ein Rückzug aus der strategisch sehr viel wichtigeren Westbank ein Risiko wäre, das sie besser nicht eingehen sollten.

Scharon stand lange für eine expansive und aggressive Vorneverteidigung seines Landes. Irgendwann hatte jedoch auch der Bulldozer Scharon eingesehen, dass militärische Stärke allein nicht reicht. Aus dem Eroberer von Territorien wurde ein Verwalter des Rückzugs.

„Als jemand, der in allen Kriegen Israels gekämpft und und aus eigener Erfahrung gelernt hat, dass wir ohne die richtige Macht nicht die Chance haben, in dieser Region zu überleben, die keine Gnade mit den Schwachen zeigt, so habe ich doch ebenfalls aus Erfahrung gelernt, dass das Schwert allein den bitteren Konflikt in diesem Land nicht lösen kann“, so begründete Scharon 2004 vor der Knesset den Rückzug aus Gaza. Das markierte die wohl erstaunlichste politische Transformation der israelischen Geschichte. Und dennoch bestätigte es nur abermals eine alte Lehre des Nahostkonflikts: es sind meist die ehemaligen Hardliner bei den Israelis, die Schritte zur Lösung des Konfliktes unternehmen.

Das galt für Likud-Chef Menachem Begin, der 1979 Frieden mit Ägypten schloss, genauso wie für die linken Falken Jitzchak Rabin, der 1993 das Oslo-Abkommen mit den Palästinensern unterschrieb, und Ehud Barak, der den Palästinensern 2000 in Camp David zum ersten Mal einen eigenen Staat anbot. Es gibt nicht wenige, die glauben, Scharon hätte einen historischen Kompromiss mit den Palästinensern ausgehandelt, wenn der Schlaganfall ihn nicht vorher gestoppt hätte. Auch wenn er nicht gerne vom „Frieden“ sprach, sondern lieber vom „Nichtangriffspakt“.

Man sollte also die Wandlungsfähigkeit von israelischen Hardlinern nicht unterschätzen. Es ist eine Sache, in der Opposition oder als unbedeutender Minister die reine ideologische Lehre zu verkünden. Eine andere ist es, wenn man einmal auf dem Stuhl des Premierministers sitzt und für das Schicksal eines von der Geschichte gebeutelten und von den Nazis fast ausgelöschten Volkes volle Verantwortung trägt.

Eine Mehrheit der Israelis vertraut darauf, dass ehemalige Sicherheitsfalken keinen Visionen vom Frieden anhängen, die sich später als gefährliche Luftschlösser entpuppen. Ein Vertrauensvorschuss, die die Begins, Rabins, Baraks und Scharons zu nutzen wussten, als sie ihre historischen Schritte hin zu einem Kompromiss unternahmen. Auch einem Benjamin Netanjahu würden die Israelis abnehmen, die Balance zu halten zwischen Sicherheit und Risiko, zwischen Kompromissbereitschaft und strategischer Absicherung, zwischen Realismus einerseits und der Bereitschaft, die Zukunft Israels aktiv zu gestalten – wozu eben auch gehört, sich die Zukunft vorstellen zu können als eine, die nicht nur die Fortsetzung der gegenwärtigen Unausweichbarkeiten ist.

Scharon war nicht wirklich ein anderer geworden, als er sich zum Rückzug aus Gaza durchrang. Er war weiter von der fundamentalen Feindschaft der Araber gegen Israel überzeugt und von ihrer Unfähigkeit, das nationale jüdische Projekt in ihrer Mitte zu akzeptieren. Aber seine Kosten-Nutzen-Rechnung hatte sich verändert. Und sein Glaube daran, dass Israel auf Dauer über ein anderes Volk würde herrschen können, ohne die eigene Demokratie zu gefährden.

All diese Erwägungen sind weiter gültig. Nicht ausgeschlossen also, dass auch Netanjahu irgendwann den inneren Scharon in sich entdeckt. Dann bräuchte es allerdings immer noch eine Palästinenserführung, die ihrerseits endlich einmal staatsmännische Verantwortung für das Schicksal ihres Volkes übernimmt. Das ist im Zweifel die viel größere Hürde.

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Irak-Krise: Warum der Westen nicht immer an allem schuld ist

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Irak-Krise: Warum der Westen nicht immer an allem schuld ist

Selbstkritik ist eines der Wesensmerkmale demokratischer Gesellschaften. Nur wer bereit ist, sich und das eigene Handeln infrage zu stellen, kann aus Fehlern lernen. Deshalb hebt jetzt wieder der Chor derjenigen an, die genau wissen, was der Westen alles falsch gemacht hat im Irak. Das Sykes-Picot-Abkommen von vor 100 Jahren (siehe P.S.), das angeblich ein künstliches Staatsgebilde geschaffen hat, wird genauso verantwortlich gemacht wie entweder zu viel westliches Engagement (Bushs Irak-Krieg) oder zu wenig (Saddam Hussein 1991 nach dem Kuweit-Krieg nicht gleich gestürzt zu haben oder Obamas Irakvergessenheit nach dem Rückzug von 2011). Das Problem dieser Analysen: sie drehen sich immer nur um uns.

Das ist einerseits paternalistisch und auch ein wenig rassistisch, weil wir die dortigen Völker nicht als Autoren ihrer eigenen Geschichte begreifen. Es  verdeckt aber vor allem die hausgemachten Probleme der Region.

Tatsächlich leidet der Irak an der Unfähigkeit nahöstlicher Gesellschaften, Pluralität zu ertragen und zu organisieren. Viele Staaten der Region funktionieren nach dem Prinzip „the winner takes it all”. Wenn eine Gruppe an die Macht kommt, beutet sie den Staat aus allein zugunsten der eigenen Klientel und versucht, die anderen von Macht und Pfründen fern zu halten.

Das war das Herrschaftsprinzip des sunnitischen Diktators Saddam Hussein, dessen brutalste Unterdrückung von Schiiten und Kurden jenen Hass säte, der das Land heute nicht zur Ruhe kommen lässt. Auf diesem Prinzip beruht auch die Herrschaft von Assads Alawiten, die Syrien in den Bürgerkrieg führte und den sunnitischen Extremismus nährte, der nun den Irak überrennt. Dort haben die unter Saddam unterdrückten Schiiten und ihr Premier Nuri al-Maliki das sektiererische Prinzip ebenfalls nie überwunden. Weil sie Regierung, Verwaltung und Armee von Sunniten gesäubert haben, gibt es nun viele sunnitische Stämme und andere Zukurzgekommene, die sich der radikalen Isis angeschlossen haben.

Natürlich hätte auch Amerika Fehler vermeiden können. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der Präsident, der im syrischen Bürgerkrieg nicht intervenieren wollte, um einen zweiten Irak in Syrien zu vermeiden, nun wegen Syrien einen zweiten Irak im Irak bekommt. Andererseits haben die Amerikaner al-Maliki seit Jahren gewarnt, dass seine sektiererische Politik das Land zur Explosion bringen könnte, aber er wollte ja nicht hören. Nun wird der Westen schon aus Eigeninteresse helfen müssen, Isis einzudämmen. Wir sollten uns aber nichts vormachen: wenn die maßgeblichen regionalen Akteure einen 30-jährigen Krieg wollen, dann wird es ihn auch geben. Und verantwortlich dafür ist nicht in erster Linie der Westen, sondern die, die sektiererischen Hass immer wieder neu aufputschen und instrumentalisieren.

P.S.: Nachtrag zu Sykes-Picot. Es ist zwar richtig, dass Franzosen und Briten den Nahen Osten nach dem Ersten Weltkrieg aufgeteilt haben und die modernen Staatsgrenzen zogen. Es ist aber gänzlich falsch zu behaupten, der Irak sei ein künstliches Gebilde. Tatsächlich bildete Mesopotamien schon seit der Frühzeit eine geographische Einheit.  Und mindestens seit der Antike, etwa in den vergangenen 2500 Jahren,  hat das Gebiet, in dem heute Schiiten, Kurden und Sunniten und viele kleine Minderheiten leben, fast immer zu derselben politischen Entität gehört, wenn auch nicht immer in exakt denselben Grenzen.

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McCains Wutausbruch gegen Deutschland

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McCains Wutausbruch gegen Deutschland

Ja, Deutschland ist bereit zu führen, das hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auf der Münchner Sicherheitspolitik den versammelten Experten zugerufen. Und wer Führung übernimmt, muss auch mit Kritik rechnen. Einen besonders groben Klotz hat nun US-Senator John McCain geschwungen und der Bundesregierung vorgeworfen, gegenüber Putins aggressivem Russland ebensolches Appeasement zu betreiben, wie es die westlichen Demokratien in den 30er Jahren gegenüber Hitler-Deutschland getan haben.

Aber tatsächlich trifft dieser Vorwurf die US-Regierung genauso wie die Deutschlands. Denn auch Präsident Barack Obama zweifelt noch, ob er Kiew tödliche Waffen liefern soll. Und Nazi-Vergleiche sind selten dazu angetan, in schwierigen Fragen überzeugende Antworten zu finden.

McCain hat Deutschland aber auch ein Kompliment gemacht. Berlin ist in der Ukraine-Krise in eine Führungsrolle hineingewachsen. Und dass sich ein US-Senator nun an Berlin reibt und nicht allein an der eigenen Regierung, zeigt, welchen Stellenwert Berlin genießt.

Es gibt drei Gründe für diese gewandelte Rolle. Der russische Krieg gegen die Ukraine hat Europas Sicherheitsarchitektur so nachhaltig erschüttert, dass selbst Berlin aus seinem sicherheitspolitischen Dornröschenschlaf geweckt wurde. Dann spielt die Landkarte eine Rolle. Schließlich steht Deutschland in der zweiten Verteidigungslinie der Nato, wenn es Russland einfallen sollte, nach der Ukraine die östlichen Frontstaaten der Nato anzugreifen. Auch unser Land kann den Zwängen der Geografie nicht entkommen. Und dann ist Berlin in den Raum gestoßen, den Washington gelassen hat.

Mit mehr Verantwortung geht aber die Pflicht einher, Lösungen aufzuzeigen. Von der Leyen hat gesagt, Moskau führe einen unerklärten Krieg. Doch trotz der vielen gebrochenen Versprechen Moskaus fällt der Bundesregierung nur der beschwörende Refrain ein, es gebe keine militärische Lösung. Moskau hingegen glaubt sehr wohl, dass es eine solche Lösung gibt und verleibt sich immer weitere Teile der Ukraine mit kriegerischen Mitteln ein.
McCain hat sich bei den Worten vergriffen, aber seine Empörung hat einen wahren Kern. Es ist tatsächlich schwer nachzuvollziehen, warum wir dem angegriffenen Land nicht helfen, sich selbst gegen einen Aggressor zu verteidigen, der immer schwerere Waffen an die Front wirft. Angela Merkel und Francois Hollande machen nun einen weiteren Anlauf, Putin zum Einlenken zu bewegen. Es ist äußerst zweifelhaft, ob das gelingen wird. Und wenn nicht, dann müssen die Führungsmächte des Westens neue Antworten finden. Auch Deutschland.

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