Gibt es nun Krieg zwischen Türkei und Syrien?
Es ist die Geschichte einer angekündigten Eskalation. Als die syrische Luftwaffe im Juni ohne Vorwarnung ein türkisches Militärflugzeug abschoss, das über den Mittelmeer den syrischen Luftraum verletzt haben soll, sah sich die türkische Regierung zu einer klaren Ansage gen Damaskus genötigt: Sollte so etwas noch einmal vorkommen, werde man zurückschlagen. Dieser Fall ist nun eingetreten.Droht nun als ein regionaler Krieg?
Bei dem offenbar versehentlichem Granatenbeschuss von syrischer Seite auf ein grenznahes türkisches Dorf sind fünf türkische Zivilisten ums Leben gekommen. Auf diese Verletzung des eigenen Territoriums hat die Türkei mit dem Beschuss einer syrischen Militärbasis geantwortet. Zudem hat das türkische Parlament die Regierung zu weiteren militärischen Aktionen gegen das Nachbarland ermächtigt. Ist das nun schon ein anschwellender Kriegsgesang?
Bisher sieht es nicht danach aus. Die Regierung in Ankara signalisiert, dass man sich mit Vergeltung auf einem niedrigschwelligen militärischen Niveau begnügen wolle. Das folgt der Logik nahöstlicher Politik, wo rote Linien zuweilen auch mal mit militärischen Mitteln gezogen werden. Wer nicht hören will, muss eben fühlen.
Und es geht natürlich auch darum, nicht das Gesicht zu verlieren in dieser nahöstlichen Machowelt, wo der als verletztlich und als Schwächling gilt, der in Konfliktfällen nicht auch mal die Muskeln spielen lässt.
Es mag mancherorts zwar die Hoffnung geben, etwa bei den syrischen Rebellen, dass sich hier ein willkommener Anlass für Ankara bietet, die syrische Opposition nicht nur mit Worten, Waffen und Geld, sondern auch mit echter Feuerkraft zu unterstützen.
Tatsächlich aber hat kaum jemand ein Interesse daran, die Situation über einen lokalen Schlagabtausch hinweg eskalieren zu lassen. Damaskus nicht, weil das Assad-Regime alle militärischen Kräfte darauf konzentriert den Aufstand im eigenen Land niederzuschlagen. Die Türkei nicht, weil die eigenen Bevölkerung mit großer Mehrheit gegen einen Krieg mit dem Nachbarland ist und weil Syrien militärisch auch keine Laufkundschaft darstellt.
Käme es zu einem richtigen Krieg beider Länder wäre jedenfalls nicht auszuschließen, dass die syrische Armee auch chemische oder biologische Waffen aus ihrem reichlich bestückten Arsenal einsetzen würde. Die Folgen solch eines Schlagabtausches wären kaum abzusehen.
Aber auch die Nato will nicht am Rande ihres Bündnisgebietes in einen Krieg und in den syrischen Bürgerkrieg mit seinen keinesfalls klaren Frontverläufen hineingezogen werden. Denn der große Bündnispartner Amerika möchte im Wahlkampf nicht von den Händeln der Welt da draußen gestört werden. Und Europa ist militärisch schwach und hat mit der eigenen Wirtschafts- und Währungskrise genug zu tun.
All das spricht dafür, dass sich die Lage wieder beruhigen wird. Wenn – ja wenn es nicht erneut zu einem ungeplanten Zwischenfall kommt.
Die Weltgeschichte ist voll von Kriegen, an denen beide Seiten eigentlich kein wirkliches Interesse hatten. Meistens wurden sie dann doch geführt, weil Herrscher und Regierungen nicht hinter einmal geäußerte Warnungen zurück konnten und sich zur Aufrechterhaltung der eigenen Glaubwürdigkeit und Abschreckungsmacht gezwungen sahen, den Drohungen auch Taten folgen zu lassen.
Deshalb ist es wichtig, dass die Welt dem syrischen Regime klar macht, welches Risiko es bei grenznahen Militäraktionen gegen Rebellen eingeht, weil stets die Gefahr besteht, dass sich Geschosse auf die andere Seite der Grenze verirren können.
Und neben den öffentlichen Beteuerungen der Solidarität gegenüber Ankara sollten die Nato-Partner die türkische Regierung hinter den Kulissen deutlich davor warnen, zum Gefangenen der eigenen Rhetorik zu werden. Denn Kriege können in aufgeheizten Situationen schneller entstehen, als man oft glaubt. Und sie sind in der Regel zerstörerischer und langwieriger, als die politischen Führer am Anfang gehofft hatten. Nach Afghanistan und Irak weiß der Westen das nur allzu genau.